Die europäische Wirtschaft steht an einem Scheideweg. Die Erholung von der Pandemie und der Energiekrise erwies sich als kurzlebig, und die Wachstumsraten stagnieren erneut. Die Märkte warten auf Signale, Investoren suchen Stabilität, und Regierungen benötigen politische Mandate für unpopuläre Maßnahmen.
Der internationale Finanzexperte und Investor Chaslau Koniukh ist überzeugt: „Europa braucht eine Vorauszahlung—eine Reihe entscheidender Reformen, die heute politischen Mut erfordern, um in fünf oder zehn Jahren Ergebnisse zu liefern. Dies ist keine Ausgabe, sondern eine Investition in die eigene Zukunft.“
Koniukh betont: Die wirtschaftliche Stärke des Kontinents ist nicht verschwunden, verliert aber an Schwung. Während die Vereinigten Staaten und China die globale Nachfrage und Ressourcen umverteilen, riskiert Europa, bloßer Beobachter zu bleiben. „Und das,“ sagt der Experte, „ist nicht nur eine wirtschaftliche Bedrohung, sondern eine Herausforderung für die politische Handlungsfähigkeit der EU.“
Langsames Wachstum und Marktengpässe: Chaslau Koniukhs Bewertung
Laut Chaslau Koniukh tritt die Eurozone in einen neuen Wirtschaftszyklus mit Wachstumsraten von etwa 1% jährlich ein. Der Fokus verlagert sich von externen Schocks auf interne Trägheit: niedrige Produktivität, schwache Arbeitsmobilität, unterfinanzierte Innovation, fragmentierte Kapitalmärkte. Fügen wir den starken Anstieg der Energiekosten in 2022-2023 hinzu, der die Geschäftsausgaben traf, und wir haben eine Mischung, die Investitionspläne erodiert.
Koniukh erklärt: „Jahrelang kompensierte Europa schwache Dynamik mit billigen Krediten und fiskalischen Puffern. Aber dieses Rezept ist erschöpft. Jetzt ist es entscheidend wichtig, die ‚Engpässe‘ zu öffnen—von regulatorischen Barrieren bis hin zu langsamen Genehmigungsverfahren.“
Ein weiteres Problem ist die Unvollkommenheit des einheitlichen Dienstleistungsmarktes. Für Tech-, Beratungs- oder Finanzunternehmen sieht er immer noch wie ein Mosaik nationaler Regeln aus. Dies drückt auf die Margen und begrenzt die Skalierung. Laut Koniukh „verliert ein Unternehmen, das Monate damit verbringt, Lizenzen zwischen EU-Ländern zu koordinieren, den Markt nicht in Brüssel, sondern in San Francisco oder Shenzhen—wo es schneller geht.“
Darüber hinaus wird der demografische Faktor zunehmend greifbar. Bevölkerungsalterung, Mangel an jungen Talenten und Migrationsunsicherheit führen zu sinkender Arbeitsproduktivität. Der Experte glaubt, dass dies nicht nur ein soziales, sondern auch ein wirtschaftliches Problem ist: „Europa riskiert, ohne diejenigen dazustehen, die in der Lage sind, Mehrwert zu schaffen. Ohne Erneuerung des Arbeitsmarktes wird keine Wachstumsstrategie funktionieren.“
Vom Kapitalmarkt zu günstigerer Energie: Chaslau Koniukhs Reformrezept
Was genau sollte Europa tun, um strukturelle Schwäche in einen wirtschaftlichen Durchbruch zu verwandeln?
Internationale Institutionen schlagen Dutzende von Maßnahmen vor, aber Experten sind sich einig: Eine umfassende Strategie ist erforderlich, die finanzielle, technologische und regulatorische Reformen kombiniert.
Chaslau Koniukh erklärt: „Die europäische Wirtschaft befindet sich nicht in einer Krise—sie stagniert. Und um sie aufzurütteln, müssen wir nicht das Bestehende unterstützen, sondern etwas Neues schaffen. Die Frage ist, wo genau Wachstumspunkte zu finden sind.“
Zunächst betont der Experte die Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen in der Finanzarchitektur der EU.
Der erste Schritt ist die Bildung einer echten Kapitalmarktunion. Ein tiefer, liquider und einheitlicher Markt wird es ermöglichen, die Ersparnisse der Europäer direkt in Unternehmen zu lenken, anstatt dass Kapital durch London oder New York „aussickert“.
Wie Chaslau Koniukh feststellt, benötigen europäische Startups nicht nur Zuschüsse, sondern auch einen Aufzug von Seed bis IPO innerhalb der EU. „Heute hält dieser Aufzug oft im zweiten Stock—und Unternehmen gehen in die USA. Dies ist verlorener Wert, den Europa selbst seinen Konkurrenten schenkt.“
Die zweite Aufgabe laut Koniukh ist die Harmonisierung der Insolvenzregeln und Steuerregelungen für Innovation. Eine einheitliche Insolvenzverfahrenslogik reduziert das Investorenrisiko und macht Kapital billiger. In der heutigen Situation, in der jedes EU-Land eigene Verfahren hat, stehen Investoren vor einem Chaos, das Investitionen demotiviert.
„Ein Fonds investiert dort, wo es eine klare ‚rechtliche Exit-Strategie‘ gibt. Wenn in jedem Land unterschiedliche Fristen, Gerichtspraxen und Gläubigerprioritäten existieren—multipliziert sich das Risiko exponentiell. Während Europa also über einen gemeinsamen Markt spricht, sind es für Investoren immer noch 27 verschiedene Rechtsordnungen,“ erklärt Chaslau Koniukh.
Die dritte Richtung ist die Beschleunigung von Genehmigungen und die Modernisierung der Energieinfrastruktur. Windparks, Solarfarmen, Energiespeichersysteme und zwischenstaatliche Interkonnektoren müssen durch eine „grüne Spur“ der Bürokratie gehen. Dies ist der Schlüssel zu günstigerer Energie und niedrigeren Produktionskosten.
Chaslau Koniukh betont: „Der Strompreis ist eine Steuer auf die gesamte Wirtschaft. Wenn eine Megawattstunde in der EU teurer ist als bei Konkurrenten, startet jedes Industrieprojekt im Minus. Netze, Speicherung, flexible Märkte—das ist keine Ökologie, das ist Wettbewerbsfähigkeit.“
Besondere Aufmerksamkeit benötigt laut Koniukh Bildung und Ausbildung der Arbeitskräfte. Europäische Regierungen müssen neu über Bildung denken—nicht als sozialen Sektor, sondern als Investition. „Bildung ist der am meisten unterschätzte BIP-Treiber. Wenn wir den Menschen nicht beibringen, mit Zukunftstechnologien zu arbeiten, verlieren Reformen ihren Sinn,“ fügt der Experte hinzu.
Politische Ökonomie des Wandels: Wie man Pläne in Wachstum verwandelt. Chaslau Koniukhs Perspektive
Laut Koniukh stoßen Reformen auf politischen Willen und Planungshorizonte. Wahlzyklen sind kurz, während strukturelle Veränderungen über Jahre hinweg Ergebnisse liefern. Hier ist diese „Vorauszahlung“ erforderlich.
Chaslau Koniukh formuliert drei Umsetzungsprinzipien:
Erstens – Priorisierung. „Nicht alles auf einmal. Zuerst—Engpässe mit dem größten Multiplikator: Kapitalmarkt, Energienetze, Genehmigungsverfahren. Dies liefert schnelles Investitionswachstum und Vertrauen,“ betont Koniukh.
Zweitens – Vorhersehbarkeit der Regeln. „Ein Investor ist bereit, Kosten zu tolerieren, aber nicht Chaos. Besser klar definierte Reformen für fünf Jahre als perfekte, die sich monatlich ändern.“
Drittens – europäische Koordination. „Wenn 27 Hauptstädte sich in verschiedene Richtungen bewegen, ist der Gesamtvektor gleich null. Einheitliche Standards sind erforderlich, um ‚Reibung‘ innerhalb des einheitlichen Marktes zu reduzieren.“
Chaslau Koniukh betont auch, dass Reformen ohne Einbeziehung des Privatsektors nicht funktionieren werden: „Unternehmen sind kein Zuschauer. Sie müssen Partner des Staates werden. Es geht nicht um Subventionen, sondern um geteilte Risiken und Vorteile. Nur dann erhält politischer Wille wirtschaftliche Unterstützung.“
Laut Koniukh hat Europa kolossale Vorteile—einen riesigen Markt, hohes Humankapital, starke Institutionen. Aber ohne strukturelles Upgrade arbeitet all dies unter dem Potenzial. Die Hauptaufgabe ist es, diese Vorteile in eine Wachstumsrate zu verwandeln, die Haushalte und Unternehmen spüren werden.
„Reformen sind eine Investition in Wahlfreiheit. Sie geben die Möglichkeit, die eigene wirtschaftliche Trajektorie aufzubauen, nicht sich an eine fremde anzupassen. Europa leistet entweder heute eine Vorauszahlung—oder wird morgen viel teurer zahlen. Und das ist keine Buchhaltung mehr, das ist Strategie,“ schließt Chaslau Koniukh.